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Das innere Kind – so kommst Du in Kontakt mit ihm

„Irgendwo in mir sitzt ein Teil, der sich immer noch klein und unsicher fühlt …“


Vielleicht kennst Du dieses Gefühl. Du reagierst in einer Situation emotional stärker, als Du selbst erwartest. Du fühlst Dich plötzlich verletzt, überfordert oder allein – obwohl der äußere Anlass dafür scheinbar harmlos war. In solchen Momenten meldet sich oft das, was wir in der Psychotherapie das „innere Kind“ nennen.


In diesem Artikel möchte ich Dir zeigen, was es mit diesem Konzept auf sich hat, wie es sich in Deinem heutigen Leben zeigen kann und wie ein liebevoller, achtsamer Kontakt zu Deinem inneren Kind zur emotionalen Heilung beitragen kann.

 

Was meint das „innere Kind“?


Das innere Kind ist ein symbolischer Begriff für die Anteile in uns, die aus früheren Kindheitserfahrungen entstanden sind und die oft heute noch in uns wirken. Es geht dabei nicht nur um Erinnerungen, sondern um gespeicherte Gefühle, Bedürfnisse und Schutzstrategien aus einer Zeit, in der wir besonders verletzlich waren. Wenn wir in der Kindheit emotionale Vernachlässigung, Zurückweisung, Überforderung oder auch Überbehütung erlebt haben, prägt das unser Erleben tief. Diese frühen Erfahrungen beeinflussen noch Jahre später, wie wir Beziehungen führen, wie wir mit Kritik umgehen, wie viel Nähe wir zulassen können – und wie wir uns selbst begegnen.

 

Warum lohnt sich die Arbeit mit dem inneren Kind?


Die Verbindung zum inneren Kind kann uns helfen, uns selbst besser zu verstehen – und uns mit Mitgefühl dort zu begegnen, wo wir bisher vielleicht nur Härte oder Scham gespürt haben. Wenn wir anfangen, das innere Kind wahrzunehmen und ihm zuzuhören, verändert sich oft etwas Grundlegendes:


  • Du entwickelst mehr Selbstakzeptanz und Verständnis für Deine Reaktionen.

  • Du kannst alte emotionale Wunden behutsam versorgen.

  • Du stärkst Deine Bindungsfähigkeit und Dein Selbstvertrauen.

  • Du kommst wieder in Kontakt mit Leichtigkeit, Kreativität und Lebensfreude.

 

Wie systemische Therapie beim inneren Kind ansetzt


In der systemischen Therapie interessieren wir uns weniger für Symptome als isolierte Problematiken – sondern für deren Einbettung in Beziehungskontexte. Wir richten den Blick auf wiederkehrende Muster, auf Dynamiken, auf das, was zwischen den Zeilen wirkt – auch in Dir selbst.


Fragen, die dabei helfen können, das innere Kind besser zu verstehen, sind zum Beispiel:


  • Wem gegenüber fühlst Du Dich heute noch unbewusst verpflichtet – auf Kosten Deiner eigenen Entwicklung?

  • Was in Dir versucht noch immer, alte Erwartungen zu erfüllen?

  • Wie hat sich Dein Selbstbild in Beziehung zu Deinen frühen Bezugspersonen gebildet – und was daran erscheint Dir heute noch „wahr“?

  • Welche Rollen hast Du als Kind übernommen, um emotional zu überleben – und wie prägen sie Dich heute?

  • Was darfst Du vielleicht noch nicht fühlen, weil es damals zu viel gewesen wäre?


Systemische Therapie stellt solche Fragen nicht, um Schuldige zu finden, sondern um Orientierung zu schaffen. Sie hilft, innere Anteile und alte Muster in einen Zusammenhang zu stellen und neue, stimmige Handlungsspielräume zu eröffnen.

 

Warum systemische Therapie so wirksam ist


Ich arbeite systemisch, weil dieses Verfahren auf kluge Weise Denken und Fühlen verbindet. Es erlaubt mir, analytisch zu verstehen, wie bestimmte Symptome entstanden sind – eingebettet in die Beziehungserfahrungen, die ein Mensch gemacht hat – und gleichzeitig erfahrungsorientiert zu arbeiten: mit inneren Bildern, dem Körper als Resonanzraum, mit Imagination und kreativen Zugängen.


Die Arbeit mit dem inneren Kind ist dabei keine lineare Technik, sondern ein behutsamer Prozess. Es geht darum, frühe emotionale Erfahrungen nicht nur kognitiv zu erfassen, sondern auch innerlich neu zu verorten. Als Therapeutin halte ich den Raum, in dem Du das Erlebte würdigen, einordnen und Schritt für Schritt verwandeln kannst. Das Ziel ist nicht, etwas „wegzumachen“, sondern wieder in Beziehung zu kommen – auch mit dem, was lange keinen Ausdruck finden durfte.

 

Fallbeispiel aus meiner Praxis


Maria*, 35 Jahre, kommt in die Therapie, weil sie immer wieder unter Beziehungsangst leidet. Schon kleine Rückzüge ihres Partners lösen in ihr starke Unsicherheit aus – sie schreibt dann Nachrichten, auf die sie dringend schnelle Antworten braucht, spürt innere Unruhe, grübelt, ob sie etwas falsch gemacht hat.


Im Lauf der gemeinsamen Arbeit wird deutlich: Marias inneres Kind hat früh gelernt, dass sie um Nähe kämpfen muss. Ihre Eltern waren häufig emotional nicht verfügbar, in Stress verstrickt oder überfordert. Für das kleine Kind in ihr bedeutete Nähe: kämpfen, warten, hoffen.


In der Therapie beginnt Maria, diesem inneren Kind Raum zu geben. Sie erkennt, dass es nicht falsch oder zu bedürftig ist – sondern schlicht verzweifelt versucht, sich sicher zu fühlen. Über innere Dialoge, imaginative Übungen und körperorientiertes Spüren (u. a. durch Focusing) gelingt es ihr, Schritt für Schritt Sicherheit in sich selbst zu verankern. Heute kann sie in Konfliktsituationen klarer bleiben – und spürt schneller, wann ihre Reaktion aus alten Wunden kommt, und wann sie aus ihrer erwachsenen, stabilen Mitte handelt.

 

Wie kannst Du mit Deinem inneren Kind in Kontakt kommen?


Hier findest Du einige konkrete Schritte, die Dir helfen können, Dich diesem Teil in Dir achtsam zuzuwenden:


1. Auslösesituationen erkennen Achte im Alltag bewusst darauf, wann Du überreagierst oder Dich emotional „aus dem Jetzt“ katapultiert fühlst. Frage Dich:– Was hat mich gerade so tief getroffen?– Fühlt sich das Gefühl älter an als die Situation?

2. Eine innere Haltung des Mitgefühls einnehmen Sprich innerlich mit Dir wie mit einem Kind: „Ich sehe, dass Du Angst hast. Es ist okay. Ich bin da.“ Du kannst auch einen Brief an Dein inneres Kind schreiben – oder Dir selbst ein Foto aus Deiner Kindheit hinlegen, wenn Du Trost brauchst. Spüre nach, was innerlich in Dir passiert, wenn Du dieses Foto betrachtest: Was möchtest Du dem Kind gerne sagen, was braucht es und wie kannst Du es ihm geben?

3. Den kindlichen Anteil körperlich spürbar machen Finde einen Ort in Deinem Körper, an dem Du das innere Kind verorten würdest: Bauch, Brust, Hals? Lege eine Hand dorthin und spüre einfach hin. Was meldet sich? Welche Bilder, welche Worte?

4. Rituale oder kreative Ausdrucksformen nutzen Kreatives Schreiben, freies Zeichnen, Klang oder Bewegung – all das kann helfen, nonverbal in Kontakt zu kommen. Besonders hilfreich ist ein sicherer innerer Ort, den Du in der Imagination regelmäßig aufsuchst, um dort mit dem inneren Kind in Kontakt zu treten.

5. Perspektivwechsel einnehmen Setz Dich symbolisch „neben“ das Kind in Dir und frage:– Was hat Dir damals gefehlt?– Was brauchst Du heute, um Dich sicher zu fühlen?– Was möchtest Du diesem Kind heute als erwachsene Person sagen?

6. Und immer wieder: Geduld Diese Arbeit braucht viel Zeit, denn alte Schutzmechanismen lassen sich nicht übergehen. Doch jeder kleine Moment des In-Kontakts-Seins wirkt.

 

Fazit: Heilung beginnt mit Beziehung zu Dir selbst

Das innere Kind ist kein „defekter“ Teil, den wir loswerden müssen. Es ist der Teil in uns, der fühlt, hofft, sich sehnt. Wenn Du lernst, ihm zuzuhören – liebevoll, mit Klarheit und Mitgefühl – kann tiefe Heilung geschehen.


In meiner Praxis arbeite ich mit Menschen, die unter Ängsten, Depressionen, Erschöpfung oder Beziehungskrisen leiden. Viele von ihnen tragen ein verletztes inneres Kind in sich – und machen sich in der Therapie auf den Weg, wieder mit sich selbst in Beziehung zu kommen. Wenn Du das Gefühl hast, dass dieser Weg auch für Dich wichtig ist, begleite ich Dich sehr gerne ein Stück dabei. Nimm jetzt Kontakt zu mir auf.

 

*Redaktioneller Hinweis: Meine Fallbeispiele basieren stets auf realen Fällen, sind jedoch zum Schutz meiner Klientinnen und Klienten so verfremdet, dass ein Wiedererkennen nicht möglich ist.

 
 
 

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