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Systemische Familientherapie: Bewegung in alten Mustern

Aktualisiert: vor 23 Stunden


Wir alle kommen aus einer Familie. Ob wir wollen oder nicht – sie hat uns geprägt: durch das, was da war, und durch das, was gefehlt hat. Und manchmal fühlen wir, dass wir in familiären Beziehungen feststecken. In Rollen, Erwartungen, unausgesprochenen Loyalitäten. Es wiederholt sich, was wir längst hinter uns lassen wollten. Und doch sind wir mittendrin.


Die systemische Familientherapie schaut nicht auf Einzelne – sondern auf die Beziehungen zwischen Menschen. Sie fragt nicht: „Wer ist schuld?“ Sondern: „Wie hängen die Dinge zusammen – und was braucht es, damit Bewegung entsteht?“

 

Familie ist ein lebendiges System


Wenn wir an „Familie“ denken, tauchen oft klare Bilder auf: Vater, Mutter, Kind(er), bestimmte Rollen, bestimmte Erwartungen. Doch Familie ist mehr als das. Sie ist ein System aus Beziehungen, das sich ständig wandelt. Jedes Familienmitglied beeinflusst die anderen – bewusst oder unbewusst. Und jedes Verhalten macht im System Sinn – auch wenn es auf den ersten Blick schwierig oder belastend erscheint: Ein Kind, das auffällig wird. Eine Mutter, die sich ständig aufopfert. Ein Vater, der emotional abwesend wirkt. Ein Geschwisterkonflikt, der nie heilt.


In der systemischen Familientherapie betrachten wir diese Dynamiken nicht als Einzelfälle – sondern als Teil eines größeren Zusammenhangs. So entstehen neue Sichtweisen. Und mit ihnen neue Wege.

 

Alte Muster erkennen – und würdigen, bevor wir sie verändern


Viele familiäre Muster sind nicht „falsch“ – sie waren einmal eine Lösung. Vielleicht hat sich ein Elternteil stark angepasst, um Frieden zu sichern. Vielleicht war es notwendig, über Gefühle zu schweigen, um durch schwierige Zeiten zu kommen. Vielleicht wurden bestimmte Themen über Generationen weitergegeben, weil niemand gelernt hat, sie zu benennen.


Systemisch gesehen ehren wir diese Strategien, bevor wir sie hinter uns lassen. Denn sie haben gedient. Doch was uns früher geschützt hat, kann uns heute einengen. Erst wenn wir anerkennen, woher ein Muster kommt, entsteht die Freiheit, es zu verändern. Nicht gegen unsere Herkunft – sondern im Einklang mit ihr.


In Beziehung wachsen – statt Schuld zu verteilen


In vielen Familien kreist das Gespräch (oder das Schweigen) um Vorwürfe: „Du hast nie …“ – „Du warst immer …“ – „Wegen dir …“ Systemische Familientherapie geht einen anderen Weg.


Sie stellt Fragen wie:


– Wer übernimmt gerade Verantwortung für wen – bewusst oder unbewusst?

– Wo gibt es unausgesprochene Loyalitäten oder Aufträge?

– Wer darf in dieser Familie „schwach“ sein – und wer nicht?

– Wer trägt Gefühle, die vielleicht gar nicht zu ihm oder ihr gehören?


Wenn wir diese Fragen gemeinsam erforschen, entstehen neue Räume: für echtes Zuhören, für Verbindung und für Entwicklung.

 

Bewegung entsteht, wenn jede:r wieder an den eigenen Platz kommt


In gesunden Familiensystemen darf jede:r „am richtigen Platz“ sein. Kinder müssen nicht die Rolle von Erwachsenen übernehmen. Erwachsene müssen sich nicht als Kinder fühlen. Jede Generation übernimmt Verantwortung für das, was ihre Aufgabe ist. Familientherapie unterstützt dabei, diese Plätze wiederzufinden. Wertschätzend, klärend und oft sehr berührend.

 

Ein Beispiel aus meinem Praxisalltag


Eine Klientin von mir, ich nenne sie hier anonymisiert Anna, Anfang 40, kam zu mir in die Praxis, weil sie sich erschöpft und innerlich zerrissen fühlte. Sie hatte selbst zwei Kinder, eine Partnerschaft, ein volles Leben – doch etwas in ihr war ständig in Alarmbereitschaft.

Im Gespräch wurde schnell deutlich: Ein großer Teil ihrer Energie ging nicht in ihre eigene Familie, sondern – innerlich – immer noch in Richtung ihrer Mutter. Diese war emotional oft überfordert gewesen, depressiv, schwankend zwischen Nähe und Rückzug. Und Anna war als Kind diejenige gewesen, die sie tröstete, stabilisierte, „funktionierte“. Unbewusst trug sie diese Verantwortung bis heute in sich. Ein innerer Auftrag: „Ich muss für sie da sein, sonst ist sie allein.“


In der systemischen Arbeit haben wir diesen Auftrag sichtbar gemacht – und Anna die Möglichkeit gegeben, ihn liebevoll zurückzugeben. Nicht in Ablehnung, sondern in Würdigung :„Ich habe dich geliebt, Mama. Und ich habe so viel getragen. Aber heute darf ich meinen eigenen Weg gehen.“


Diese innere Bewegung veränderte viel. Nicht über Nacht, aber spürbar. Anna berichtete, dass sie plötzlich freier atmen konnte. Dass sie anders auf ihre Kinder reagierte – mit mehr Leichtigkeit, mehr Präsenz. Und dass sie ihrer Mutter nun begegnen konnte, ohne sich schuldig zu fühlen, wenn sie eine Grenze zog.


Familientherapie bedeutet nicht, gegen die Vergangenheit zu kämpfen. Sondern ihr einen guten Platz zu geben, damit das Heute wieder lebendig wird.

 

Familie kann ein Ort der Entwicklung sein – wenn wir uns trauen, hinzuschauen


Familie muss nicht perfekt sein. Aber sie darf sich bewegen. Systemische Familientherapie hilft dabei, aus dem Stillstand in die Bewegung zu kommen – aus alten Mustern in neue Möglichkeiten. Sie lädt dazu ein, Geschichte zu verstehen, ohne in ihr gefangen zu bleiben.


Wenn Du spürst, dass sich in Deiner Familie etwas verändern darf – bei Dir selbst, in der Beziehung zu Deinen Eltern, Kindern oder Geschwistern – begleite ich Dich sehr gern auf diesem Weg. Nimm jetzt Kontakt zu mir auf.



Redaktioneller Hinweis: Meine Fallbeispiele basieren stets auf realen Fällen, sind jedoch zum Schutz meiner Klientinnen und Klienten so verfremdet, dass ein Wiedererkennen nicht möglich ist.

 
 
 

2 Comments


M.S.
May 30

Danke für den Artikel. Er hat mich berührt und zum Nachdenken angeregt. Was ich mich dabei frage: Warum halte ich eigentlich an familiären Mustern fest – selbst, wenn mir bewusst ist, dass sie mir nicht guttun?

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Stefanie Evita Ibrahim
May 30
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Danke für diese wichtige und ehrliche Frage – sie zeigt, wie tief einen dieses Thema berühren kann.


Weil diese Muster oft mehr sind als nur Belastung – sie stehen für Bindung, Sicherheit und frühere Lösungen. Loszulassen fühlt sich dann nicht nur wie Befreiung an, sondern manchmal auch wie ein innerer Bruch. Doch Veränderung wird erst möglich, wenn wir anerkennen, warum das Festhalten einmal wichtig war.


Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit ein Stück weit weiterhelfen und wünsche Ihnen alles Gute auf Ihrem weiteren Weg!

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